jdav-logo-template

Mountainbike in der JDAV

Wo geht die Reise hin?

Wie kann die JDAV auch eine Heimat für Mountainbiker*innen werden und was sind die aktuellen Herausforderungen? Die JDAV ist im Bereich MTB in Bewegung - Solveig Eichner hat für den Knotenpunkt über die wichtigsten Themen mit Lukas Amm gesprochen.

Die Kurzversion des Interviews und weitere Artikel zum Mountainbiken gibt es in der Knotenpunkt-Ausgabe 2-2023: Panorama-2023-2-JDAV-Knotenpunkt-MTB [4,3 MB]

 

Willst du dieses Interview lieber als pdf lesen, bitte schön: Kno-2-23-MTB-Interview-LukasAmm-Langversion-SolveigEichner [840 kb]

 

Dein Ansprechpartner in der JDAV ist Lukas Amm (lukas[Punkt]amm[Klammeraffe]alpenverein[Punkt]de).

 

Projektgruppe und Rahmenkonzeption - Was steckt dahinter?

  1. Worum kümmert sich die Mountainbike Projektgruppe und was ist die Rahmenkonzeption?
    “Wir haben eine kleine, feine und schlagkräftige Gruppe gegründet, mit der wir uns mit dem Thema Mountainbike in der JDAV auseinandersetzen. Die JDAV auch zur Heimat für Mountainbiker*innen machen - das ist eins der Ziele der Projektgruppe.
    Nachdem die JDAV sich intern geeinigt hat, wurde die Mountainbike-Rahmenkonzeption entwickelt. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Mountainbiken den gleichen Stellenwert hat wie andere Alpinsportarten und dass die JDAV als Vorbild für umwelt- und naturverträgliches Biken agieren soll. Zudem plant die Projektgruppe weitere Kurse im MTB Bereich, ein MTB Camp und setzt sich für die Legalisierung von Trails ein.”
  2. Was sind eure kurzfristigen und langfristigen Ziele?
    “Grundsätzlich wollen wir uns um die Außendarstellung des Mountainbike-Sports kümmern, sodass wir unser Verständnis von Natur und umweltverträglichen Biken nach außen tragen.
  3. Die MTB Rahmenkonzeption aus dem Jahr 2021 beschreibt die klare Position der JDAV im Bereich Mountainbiken. Wie sieht die praktische Umsetzung aus?
    “Wir haben die vier Handlungsfelder Kommunikation, Bildung, Politik und Kooperation. In den einzelnen Handlungsfeldern haben wir uns einzelne Ziele gesetzt. Da gibt es kurzfristige, aber auch langfristige Ziele und beispielsweise im Bereich Bildung, da haben wir uns als kurzfristiges Ziel gesetzt, dass wir die ganzen Teams in der JDAV weiter vernetzen und eine Zusammenarbeit verstärken wollen.”
  4. Die ersten Grundausbildungen (GA) im Bereich Mountainbiken haben stattgefunden. Wie sind diese verlaufen und was ist das Ziel?
    “Die 'Grundausbildung Mountain.Bike.Natur.' ist soweit super angekommen. Grundsätzlich verläuft eine Mountainbike Grundausbildung genauso wie alle anderen Grundausbildungen. Es geht um das Vermitteln unserer Bildungsziele und Werte: Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und die Befähigung, junge Leute zu begleiten, zu führen und weiterzubringen. Das Mountainbike funktioniert hier als Medium, um gemeinschaftlich in der Natur unterwegs zu sein und schöne Momente und Erlebnisse einzufangen.”
  5. Wird es weitere GAs im MTB Bereich geben?
    “Es werden jeweils zwei MTB-Grundausbildung pro Jahr geplant, die in der Jubi Hindelang stattfinden.”
 

E-Mountainbikes – Wie steht die JDAV dazu?

  1. Sind E-Mountainbikes und die Philosophie der JDAV ein Widerspruch für dich?
    “E-Mountainbikes sind ein sehr kontroverses Thema, das eine große Polarisierung auch im Alpenverein hervorruft. Die JDAV hat eine klare Haltung zum Thema E-Mountainbike: Sie sieht es grundsätzlich kritisch. Aber wir werden uns mit dem Thema E-Mountainbike auseinandersetzen müssen, denn es werden immer mehr Menschen mit dem E-Mountainbike unterwegs sein.
    Grundsätzlich werben wir dafür, dass wir uns aus eigener Kraft in den Bergen bewegen wollen, aber auch niemanden ausschließen möchten. Das Thema Vielfalt und Gleichberechtigung ist uns dabei sehr wichtig.”
  2. Welches Potential könnten E-Mountainbikes haben?
    “Es kann auch eine Chance sein, zum Beispiel wenn es darum geht, mit dem Bike Material-Transporte zu machen, die man sonst mit dem Auto machen würde. Die Jubi Hindelang ist ein super Beispiel. Da wurden jetzt vier E-Mountainbikes angeschafft, mit Anhängern. Das heißt, man kann dort zusätzlich mit den anderen Mountainbikes, die kein Antrieb haben, mit einer Gruppe unterwegs sein und schweres Material wie zum Beispiel Kletter-Equipment, Ski-Ausrüstung etc. zum Ausgangspunkt befördern, ohne dass man ein Auto braucht.
    Somit ist es ein super Hilfsmittel, um Emissionen zu verringern und E-Bikes unter dem Gesichtspunkt nachhaltiger Mobilität einzusetzen.
    Grundsätzlich finden wir es einfach wichtig, dass man sein eigenes Handeln hinterfragt und schaut, dass das Ganze so sozial und umweltverträglich wie möglich umgesetzt wird. Das gilt auch fürs Mountainbike und da gibt es sicher Themen, die man auch eher kritischer sehen kann.”
 

Alles easy oder gibt es Probleme?

  1. Mit welchen Problemen seid ihr konfrontiert?
    “Das Hauptproblem ist, dass es zu wenig legale Möglichkeiten gibt, um den Sport auszuüben. Dabei sind Verordnungen von verschiedenen Ministerien hinderlich, wie zum Beispiel dem Umweltministerium in Bayern, mit Vollzugshinweisen, wodurch es zu Einschränkungen oder Verhinderungen von Legalisierungs- Projekten oder der Nutzung der Wege kommt. Das Problem, dass es viel Konfliktpotential zwischen den Nutzergruppen Mountainbike und Wandern gibt, wird heißer gekocht als es wirklich ist.
    Es gibt besonders in den Großstädten einen großen Nutzungsdruck, aber es gibt genauso gute und schöne Beispiele, wie man mit allen Beteiligten eine Lösung finden kann. Zum Beispiel in Nürnberg gibt es ein Pilotprojekt, wo es im stadtnahen Bereich legale Trails gibt, wo man mit allen Seiten eine Einigung geschaffen hat. Um solche Lösungen zu finden, muss man alle Beteiligten an den Tisch bekommen, Gesprächsrunden anbieten, Vorurteile ausräumen und Konzepte vorstellen.”
  2. Wie kann sich eine Jugendgruppe, die biken geht, Unterstützung bei Problemen holen?
    “Grundsätzlich gibt es natürlich die Möglichkeit, sich an die JDAV zu wenden, wenn es Themen gibt, die Fragen aufwerfen. Andererseits wollen wir durch unser Konzept ermöglichen, dass die Jugendgruppen sich untereinander vernetzen und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. So können sich Jugendleiter*innen auch untereinander austauschen und vernetzen. Aber auch an die Bundesgeschäftsstelle des Alpenvereins kann man sich wenden.”
 

Check Your Risk Mountainbike – Ein tolles Angebot für Schulen

  1. Seit wann gibt es Check Your Risk MTB?
    “Check Your Risk gibt's seit 2006 in der Winterversion und seit fünf Jahren auch die Sommer Variante, wo wir mit dem Mountainbike unterwegs sind. Grundsätzlich geht es bei “Check Your Risk” immer um das Thema Risiko und Entscheidungskompetenz. Wie gehe ich mit meinem eigenen Handeln und mit Konsequenzen um?”
  2. Wie kam es zu einer Weiterentwicklung mit dem Mountainbike?
    “Im Winter haben wir weniger Spielraum, uns mit den Jugendlichen und Kids an den eigenen Grenzen zu bewegen. Auf Lawinen bezogen, ist es natürlich nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen und das Ganze einfach mal auszuprobieren. Mit dem Mountainbike hingegen können wir da wirklich einen guten Rahmen schaffen und das Thema Risiko und Entscheidungsfindung noch greifbarer vermitteln.”
  3. Kannst du kurz in eigenen Worten den Ablauf beschreiben?
    “Eine Einheit kann man kurz und knapp folgendermaßen beschreiben: Wir sind mit den Kids draußen im Gelände unterwegs. Die Kids dürfen als Gruppe Verantwortung übernehmen, aber auch für einzelne Personen. Wir geben für die Route einige Eckdaten vor und schauen, was es auf der Tour zu machen gibt, aber die Verantwortung liegt in der Hand der Kids. An bestimmten Stellen haben wir einige Situationen vorbereitet, an denen sie sich mit dem eigenen Handeln auseinandersetzen müssen, also konkret eine Entscheidung treffen müssen.”
  4. Was für Entscheidungen kommen auf die Kids zu?
    “Es sind Fragen wie: Kann ich diese Stelle bewältigen? Traue ich mir das zu? Habe ich überhaupt die Kompetenzen? Was wären Konsequenzen an dieser Stelle?
    Sie müssen sich aber auch mit dem Thema Gruppendruck auseinandersetzen. Wenn alle Leute jetzt hier unten warten und mich anfeuern, traue ich mich dann trotzdem vielleicht  auch zu, Nein zu sagen? Ein großer Punkt, den wir betonen wollen, ist, dass wir auch die Entscheidung, “Nein” zu sagen, als wertvolle und super wichtige Entscheidung sehen und es auch oftmals eine viel mutigere Entscheidung ist, “Nein” zu sagen, als irgendwo einer Herde hinterherzulaufen und einfach mitzuschwimmen. Wir wollen die Kids dazu befähigen, eigene Entscheidungen selbstverantwortlich zu treffen.”
  5. Was macht CYR besonders?
    “Man lässt junge Leute wirklich mal machen und appelliert nicht immer nur aus außenstehender Perspektive an Vorsicht.”
  6. Wer kann mitmachen und wo kann man sich anmelden?
    “Schulklassen und Jugendgruppen können teilnehmen. Um die Eintrittsschwelle möglichst niedrig zu halten, sind wir gerade in der Jubi dran, einen Pool an Fahrrädern zur Verfügung zu stellen.” Anmelden kannst du dich auf www.jdav.de/Check-Your-Risk/
  7. Damit sprichst du einen wichtigen Punkt an. Besonders Mountainbike-Ausrüstung kostet Geld. Wie kann der Zugang zum Mountainbiken erleichtert werden?
    “Die JDAV ist  ja schon eine sehr eigene Bubble. Mit CYR sprechen wir eine viel breitere Zielgruppe an und versuchen, die Eintrittsschwelle möglichst niedrig zu halten. Dass die Leute auch mit recht simplen Mountainbikes oder Fahrrädern teilnehmen können und so vielleicht auch in den Genuss unserer Einheiten und unserer Ideen und Werte in Verbindung kommen, ist uns wichtig. Allerdings muss man auch ehrlich sagen, dass das Mountainbiken auch mit gewissen Kosten verbunden ist und man auch schauen muss, wie man sowas auch einer großen Anzahl an Kids und Jugendlichen zur Verfügung stellen kann. Da sind wir auch dran, mit anderen Schulen oder Institutionen zusammenzuarbeiten, die Fahrräder zur Verfügung haben, wo dann das Thema Material, Ausrüstung und Kosten keine Rolle spielt. Ansonsten würde es eine gewisse Selektion bedeuten, weil nicht alle Familien sich dementsprechend ein Fahrrad leisten können. Das wollen wir abfangen.
    Wie schon erwähnt, sind wir in der Jubi Hindelang gerade dran, einen Pool an Fahrrädern zur Verfügung zu stellen, sodass, wenn wir dort Kurse geben oder auch Jugendleiter* innen kommen, wir auch Biken gehen können, ohne dass alle eigenes Material brauchen. Wir wollen versuchen, den Zugang zu erleichtern und niedrigschwellig zu halten.”
 

Lukas, persönlich zum MTB

  1. Was bedeutet dir persönlich das Mountainbiken und wie fühlst du dich dabei?
    “Grundsätzlich ist es eine super Möglichkeit, sich mit sich selbst und der Umwelt auseinanderzusetzen. Also Herausforderungen zu suchen, gleichzeitig draußen in der Natur zu sein, aber auch mit Freund*innen Zeit zu verbringen und Selbstwirksamkeit zu erleben.
    Für mich ist es ein großer Teil meines Lebens und meiner Freizeitbeschäftigung. Man lernt neue Leute kennen, ist an vielen verschiedenen Orten unterwegs, lernt andere Regionen kennen und hat einen größeren Radius mit dem Mountainbike als zu Fuß, ist aber auch nicht so schnell wie mit einem Auto und kann sein Umfeld gut wahrnehmen.”
  2. Was war bisher dein prägendstes Erlebnis auf dem Bike?
    “Ein richtig schönes, prägendes Erlebnis war für mich eine Alpenüberquerung, die ich mit einer Jugendgruppe gemacht habe. Im Rahmen des Kursprogramms sind wir in sieben Tage von der Jubi an den Gardasee gefahren. Jede Person ist an die eigenen Grenzen gestoßen und wir sind zu einer richtig guten Gruppe zusammengewachsen, die allerlei Erlebnisse wie Unwetter in den Bergen erlebt haben. Wir haben uns wirklich durchgekämpft und sind sichtlich stolz am Gardasee angekommen.”
  3. Was würdest du dir für die Zukunft im MTB Sport in Deutschland wünschen?
    “Generell würde ich mir einfach wünschen, das ist jetzt gar nicht so sehr auf das Mountainbike bezogen, sondern generell auf das Fahrradfahren, dass wie in anderen Ländern, wie in Frankreich das Thema Fahrrad und Mountainbike einfach präsenter ist, und auch mehr als Selbstverständnis gesehen wird. Dass Deutschland auch mehr zu so einer Fahrrad-Nation wird, wo das Fahrradfahren unterstützt, gefeiert und geschätzt wird, würde ich mir wünschen.”
  4. Welche Unterschiede siehst du da zu anderen Ländern?
    “Wenn man in anderen Ländern mit dem Mountainbike unterwegs ist, wird man eher bejubelt, wohingegen man in Deutschland schon öfter das Gefühl hat, dass man sich dort einen abfälligen Kommentar einheimst. Mit mehr Begeisterung fürs Fahrradfahren ist es auch eine Möglichkeit, dass mehr Leute vom Auto auf das Fahrrad umsteigen und den ökologischen Gedanken mehr leben. Dazu gehört auch, dass es einfach mehr Fahrradplätze, öffentliche Verkehrsmittel und eine bessere Fahrrad-Infrastruktur gibt. Da spielt auch die Infrastruktur für eine nachhaltige Mobilität eine große Rolle.
    Die Vielfalt des Sports sollte mehr gesehen werden, dass Mountainbiken nicht nur eindimensional ist und es nicht nur die verrückten Downhiller gibt, sondern dass es auch viele Menschen gibt, die einfach ein Naturerlebnis mit dem Mountainbike möchten.”
  5. Welche Maßnahme würdest du am liebsten sofort umsetzen, wenn du könntest?
    “Es wäre wahrscheinlich gar nicht so schwer umzusetzen: Alle Alpenvereinswege direkt als “shared Trails" ausweisen, sodass klar ist, diese Wege sind für beide Nutzer*innengruppen gleichberechtigt nutzbar. Wenn beide Seiten Rücksicht nehmen, steht einer gemeinsamen konfliktfreien Nutzung nichts im Wege.”